Reparieren statt wegwerfen – brauchen wir ein Recht auf Reparatur?

Dinge, die nicht mehr funktionieren, werden ersetzt: Der Mixer schlägt keine Sahne mehr, die Waschmaschine schleudert die Wäsche nicht, der Fernseher gibt keinen Ton mehr von sich oder das Smartphone-Display ist gesprungen. Und viel zu häufig wird Ersatz gekauft, statt zu reparieren. „Das lohnt sich nicht mehr“ oder „wirtschaftlicher Totalschaden“ heißt es dann. Doch die Umweltauswirkungen werden in erster Linie durch die Produktion der Geräte verursacht. Zum Beispiel entstehen laut einer Publikation von Greenpeace 73 Prozent der Kohlenstoffdioxidemissionen im Produktlebenszyklus eines Smartphones bei der Herstellung. Dabei ist es so manches Mal nur ein kleines Bauteil, das defekt ist. Und wenn das Gerät bis zuletzt gute Dienste geleistet hat, dann will man doch eigentlich nur wieder zu diesem Zustand zurück (lateinisch re- = wieder, parare = zurück).

Hierfür muss die Industrie aber auch die Voraussetzungen schaffen. Dabei geht es nicht nur darum, dass Haltbarkeit durch den Einsatz hochwertiger Bauteile gewährleistet wird und kurzfristige wirtschaftliche Interessen nicht zu geplanter Obsoleszenz führen. Es geht vor allem darum, dass Hersteller die Reparierbarkeit als festen Bestandteil ihres Produktdesigns berücksichtigen. So wird Langlebigkeit gewährleistet und damit Ressourcen geschont. Die Forderung „Design for repair“ geht Hand in Hand mit dem Anspruch „Design for recycling“. Wenn sich Gegenstände gut in ihre Einzelteile zerlegen lassen, um sie reparieren zu können, dann lässt sich am Ende eines Produktlebens tatsächlich ein Zyklus daraus machen, indem die Bestandteile wiederverwertet werden – designt für Kreislaufwirtschaft.

In Frankreich wird Pionierarbeit geleistet – Blaupause für Deutschland?

Per Gesetz wurde in Frankreich ein Reparatur-Index eingeführt. Mit fünf Labels in Farben von Rot über Gelb nach Grün wird mit dem „Indice de réparabilité“ angegeben, wie gut oder schlecht sich Fernseher, Waschmaschinen, Rasenmäher, Laptops und Smartphones reparieren lassen. In die Bewertung fließt unter anderem ein, ob der Hersteller Reparatur-Anleitungen zur Verfügung stellt, Ersatzteile für Endverbraucher erhältlich sind, spezielles Werkzeug verwendet werden muss und in wie vielen Arbeitsschritten sich etwa der Akku eines Handys tauschen lässt. Die so hergestellte Vergleichbarkeit hilft Verbraucher*innen bei der Kaufentscheidung.

Die EU prüft derzeit ein Einschreiten. Zur Umsetzung des „European Green Deal“ sammelt die Europäische Kommission Argumente für ein „Ecodesign“, das Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit unterstützt. Daran beteiligt sich zum Beispiel die Initiative „Right to repair“, die davon abrät, dass sich die Industrie selber regulieren sollte. Die Initiative empfiehlt außerdem Vorgaben, die die Energieeffizienz der Geräte, ihre Reparierbarkeit und ihre Haltbarkeit - auch durch die Zusicherung von Software-Updates über einen festgelegten Zeitraum - in einem Rating von A bis G festlegt. Aus Deutschland hat der Verein Runder Tisch Reparatur e.V. seine Rückmeldung an die EU übermittelt und fordert darin verbindliche Ökodesign- und Informationsanforderungen, damit Endverbraucher umweltfreundliche Kaufentscheidungen treffen können.

In Deutschland ist ein erster zaghafter Schritt das „Eco Rating“. In den Online-Shops von Telekom, Vodafone und o2 wird bei ausgewählten Geräten (basierend auf Herstellerinformationen) ein Punktewert zu Langlebigkeit, Klimaverträglichkeit, Ressourcenschonung, Recyclefähigkeit und der Reparaturfähigkeit errechnet und im Vergleich zur maximal erreichbaren Wertung von 100 Punkten angegeben.

Eine umfangreiche Dokumentation zur Reparatur, Sets mit benötigtem Werkzeug, Ersatzteile und einem eigenen Rating für die Reparierbarkeit von 0 bis 10 Punkten bietet Fixit. Ähnlich wie bei Wikipedia erstellt die Community Reparatur-Anleitungen und dokumentiert die wichtigsten Schritte mit Fotos. So sind mittlerweile über 70.000 kostenlose Anleitungen für über 33.000 Geräte (PCs, Laptops, Tablets, Smartphones Kameras, Pkw und Lkw) zusammengekommen. Sie sind Teil der Initiative „Right to repair“.

Im US-Bundesstaat New York hat der „Digital Fair Repair Act“ die erste Hürde genommen. Darin werden Hersteller dazu verpflichtet, es Drittanbietern zu ermöglichen, Reparaturen durchzuführen. Damit soll verhindert werden, dass die Hersteller sich ein Monopol auf die Reparaturen aufbauen, indem sie nur zertifizierten Betrieben Informationen und Ersatzteile zur Verfügung stellen. Die Hersteller argumentieren für dieses Verfahren, da sie so unseriöse Werkstätten aussortieren wollen. Doch die Zertifizierung ist in der Regel mit Kosten für den Reparaturbetrieb verbunden ist, die über die Reparaturpreise wieder reingeholt werden müssen und somit den Endverbraucher belasten. Wenn das Unterhaus (State Assembly) und der Gouverneur zustimmen, dann wird der Digital Fair Repair Act zu einem geltenden Gesetz im Staate New York.

Reparieren bedeutet Ressourcenschutz

Dass reparierte Gegenstände sogar eine eigene Ästhetik haben können, zeigt die traditionelle japanische Reparaturmethode „Kintsugi“ für Keramik. Dafür werden die Bruchstücke des Porzellans geklebt und fehlende Scherben mit Kittmasse ausgebessert. Den speziellen Look erhalten die geklebten Keramiken dann mit Pulver aus Gold oder anderen Metallen wie Silber und Platin, das auf die Klebestellen aufgebracht wird. Diese Tradition ist ein schönes Symbolbild für Abfallvermeidung durch Reparatur.

Ein bisschen Kleber und Goldpulver hilft uns natürlich nicht bei defekter Elektronik. Hier sollten schon vor dem Kauf Informationen zu Haltbarkeit und Reparierbarkeit eingeholt werden. Das gilt für den physischen Gegenstand ebenso wie für die Software, die mittlerweile eine Vielzahl von Geräten nutzen, insbesondere im „Internet-of-Things“. Die sogenannte „smarte“ Elektronik wird unsicher und Hacker nutzen Sicherheitslücken aus, wenn diese nicht mit Updates geschlossen werden. Sobald Hersteller keine Updates (mehr) bereitstellen, sind die Tage der Geräte im Internet der Dinge gezählt und es entsteht Elektroschrott.

Wer gerne selber Hand anlegen möchte, kann in Repaircafés vorbeischauen. Das sind ehrenamtliche Treffen, bei denen man unter dem Motto „Reparieren statt Wegwerfen“ alles von Fahrrädern bis hin zum Smartphones zusammen mit Anderen in netter Atmosphäre reparieren kann. Hier gibt es kostenlos Hilfe zur Selbsthilfe und Experten stehen mit Rat und Tat zur Seite. Auch in Bonn gibt es einige Repaircafés und offene Werkstätten.

Und wenn sich ein Gerät nicht mehr reparieren lässt, dann ist es wichtig, dass es recycelt wird. Dafür gibt es in Bonn die Roten Tonnen, deren öffentlich zugänglichen Standorte online im Stadtplan verzeichnet sind. Die Rote Tonne wird durch bonnorange als kostenloser Service für Unternehmen angeboten: sie werden zum Beispiel in Geschäften aufgestellt, um Kund*innen und Mitarbeiter*innen möglichst kurze Wege zu bieten. So können zum Beispiel auch Apotheken und kleinere Geschäfte die umweltgerechte Verwertung und Entsorgung unterstützen. Die Rote Tonne eignet sich für Elektrokleingeräte mit einer Kantenlänge unter 50 cm, zudem nehmen die beiden Wertstoffhöfe der bonnorange AöR Elektroaltgeräte gebührenfrei entgegen. Elektrogroßgeräte holt bonnorange nach Terminvereinbarung auch kostenlos ab.