Zaubertinte für ein besseres Recycling

Kann uns Technik dabei helfen, mehr Wertstoffe zu recyceln? Einen wichtigen Beitrag leistet der Mensch: Indem in den Haushalten korrekt getrennt wird, wird die Grundlage für eine möglichst hochwertige Verwertung geschaffen. So eine Tonne für alles mag komfortabel erscheinen. Wenn jedoch die unterschiedlichen Abfälle miteinander zusammenkommen, kann es zu Verunreinigungen kommen, die ein Recycling erschweren oder gar verhindern, wenn sich zum Beispiel das Altpapier mit Flüssigkeiten vollsaugt oder Plastikpartikel sich mit dem Bioabfall verbinden.

Eine große Herausforderung für die Kreislaufwirtschaft sind Verbundstoffe. Selbst bei korrekter Trennung ist es schwer oder gar nicht erkennbar, aus welchen Materialien diese Abfälle bestehen und sie auf dieser Grundlage dem geeignetsten Verwertungsverfahren zuzuführen. Das betrifft vornehmlich Verbundverpackungen. Das sind Verpackungen aus unterschiedlichen, von Hand nicht trennbaren Materialarten, wie zum Beispiel Tetra-Pak-Getränkekartons, aber auch Leichtverpackungen, die aus mehreren Schichten unterschiedlicher Kunststoffe bestehen, die miteinander verschweißt sind, um zum Beispiel das Endringen von Sauerstoff zu verhindern.

Rund 237 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf fielen laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat im Jahr 2021 hierzulande an. Erfasst wurden dabei nicht nur Abfälle privater Haushalte, sondern der im ganzen Land angefallene Verpackungsmüll bestehend aus Verkaufsverpackungen, Serviceverpackungen, Versandverpackungen, Umverpackungen und Transportverpackungen. Die wichtigsten Verpackungsmaterialien sind Glas, Papier und Pappe, Kunststoffe, Metalle (Aluminium und Stahl) sowie Holz.

In Bonn waren es 2022 pro Bonner*in 30,27 kg Leichtverpackungen aus der Gelben Tonne/den Gelben Säcken, 24,19 kg Altglas und 56,79 kg Altpapier, das mehr und mehr aus Kartonagen besteht, die dem Versandhandel zuzuordnen sind.

Die EU geht gegen diesen wachsenden Müllberg vor. Bis 2040 soll die Menge Plastikverpackungen deutlich reduziert werden. Im Jahr 2030 sollen bereits alle Verpackungen recyclefähig sein. Dafür sind aber zwei Merkmale von besonderer Bedeutung: die Zusammensetzung des Materials und auch der vorherige Inhalt, um insbesondere bei Lebensmittelverpackungen Gefahren durch Kontaminationen auszuschließen.

Der heilige Gral des Verpackungsrecyclings?

Hier kommt der „HolyGrail 2.0“ ins Spiel. Alles begann mit dem „HolyGrail 1.0“. Unter diesem Titel untersuchte die Ellen MacArthur Stiftung unterschiedliche Verfahren, um das Recycling mithilfe von digitalen Wasserzeichen und chemischen Indikatoren zu verbessern, indem beispielsweise Verpackungen gekennzeichnet und maschinell erkannt werden können. Das geht weit über die Sortierverfahren, die heute zum Einsatz kommen, hinaus, indem eine Datenbank geschaffen wird, in der Informationen mit der Markierung der Verpackung verknüpft werden. So gäbe es digitale Produktpässe für jede Verpackung.

Am vielversprechendsten waren die Ergebnisse mit den digitalen Wasserzeichen, die nun im Projekt „HolyGrail 2.0“ getestet werden. Für die unsichtbaren Stempel mit der Größe einer Briefmarke hat das US-amerikanische Unternehmen Digimarc den sogenannten „Digital Watermark Code“ entwickelt, der per Software einfach in vorhandene Druckdateien integriert wird, so dass keine speziellen Farben oder Druckverfahren nötig sind. Erkannt wird der Stempel mittels geeigneter Sensor-Technik.

Diese Technologie macht sich zu Nutze, dass Licht in verschiedene Spektralbereiche gegliedert ist und unterschiedliche Wellenlängen hat. Trifft Licht auf eine Oberfläche, wird es reflektiert, wobei sich die Wellenlänge verändert. Das reflektierte Licht kann daraufhin analysiert werden, sodass die Reflexion einen Rückschluss auf die reflektierende Oberfläche zulässt und somit auf den Abfall. So erkennt die Technologie in einer Sortieranlage zum Beispiel einen Getränkekarton, der dann über eine Düse per Luftstoß vom restlichen Abfall separiert wird.

Das Besondere am HolyGrail 2.0: die Technologie nimmt die Sortierung nicht mehr auf Basis der Reflexion des Materials vor, sondern erkennt das aufgedruckte Wasserzeichen. Über das Wasserzeichen findet im Bruchteil einer Sekunde ein Abgleich mit einer Datenbank statt, sodass nicht nur die Zusammensetzung, sondern auch wofür das Material eingesetzt wurde und gegebenenfalls auch dessen Herkunft nachvollzogen werden kann. Das wäre eine kleine Revolution, die neue Möglichkeiten für das Recycling schaffen könnte. So könnten Lebensmittelverpackungen von anderen Verpackungen getrennt werden, damit aus ersteren wieder neue Lebensmittelverpackungen werden können. Kunststoffe könnten möglichst sortenrein sortiert werden, damit kein Downcycling stattfinden muss und es wäre im Rahmen der Herstellerverantwortung sogar denkbar, dass die Verwertungskosten für die jeweilige Verpackung dem Hersteller in Rechnung gestellt werden könnte.

Pionierarbeit in Swisttal

Einer der industriellen Versuche mit dem „HolyGrail 2.0“ findet in unserer Region statt: Die Firma Hündgen Entsorgungs GmbH & Co. KG beteiligt sich in Swisttal an der Forschung, indem dort eine Sortieranlage installiert wurde, die Verpackungen mit dem digitalen Wasserzeichen erkennen und entsprechend sortieren kann. Die Firma Hündgen sortiert pro Jahr etwa 100.000 Tonnen Verpackungsabfälle, wovon rund 25.000 Tonnen aus Dänemark und der Rest aus Deutschland stammen. Die Versuche mit der Sortieranlage in Swisttal sollen Erkenntnisse über die Zuverlässigkeit des Verfahrens bei Polyethylenterephtalat (PET), Polypropylen (PP), Polyehtylen (PE), aber auch Verbundverpackungen und Einweg-Bechern liefern.

Der Prototyp, der bei der Firma Hündgen aufgebaut wurde, wurde vom Maschinenhersteller Pellenc ST und dem Technologieanbieter Digimarc entwickelt. Nach der Sortierung erfolgt eine Prüfung durch Spezialisten, sodass eine Bewertung erfolgen kann, ob die Technologie im industriellen Maßstab eingesetzt werden kann. Auf Basis der gewonnenen Daten soll anschließend eine Wirtschaftlichkeitsanalyse gemacht werden.

Auch Textilien sind häufig Verbundmaterialien

Denkbar ist ein ganz ähnliches Verfahren auch bei Alttextilien. Grundsätzlich können auch sie mit Nah-Infrarot-Technologie sortiert werden, aber die genaue Zusammensetzung des Stoffes und auch die unterschiedlichen Komponenten eines Kleidungsstücks können nicht erkannt werden. Durch das Einnähen spezieller Fäden, die mit Nah-Infrarot-Technik erkannt und so die Aufgabe des digitalen Wasserzeichens übernehmen, könnten Informationen aus einer Datenbank abgerufen werden, die bei der Verwertung helfen.

Solche Innovationen sind wichtig, um Stoffkreisläufe zu schließen und ein essenzieller Teil der Kreislaufwirtschaft. Recycling steht gemäß der Abfallhierarchie aber erst auf dem dritten Rang, denn an erster Stelle geht es um Abfallvermeidung. So muss zum Beispiel der Fast-Fashion-Trend gebrochen werden und langlebige Kleidung einen größeren Stellenwert bekommen. Auch die Wiederverwendung muss gefördert werden. Einweg-Verpackungen müssen durch Mehrweg-Alternativen ersetzt werden. Erst, wenn die Dinge kaputt sind, nicht mehr repariert werden und keinem anderen Zweck mehr dienlich sein können, dann brauchen wir ein hochwertiges Recycling, mit dem wir möglichst alle Stoffe zurückgewinnen können, um neue, langlebige Produkte daraus herzustellen.