Urban Mining – Ist Bonn eine Rohstoff-Mine?

Durchschnittlich 6,36 Kilogramm Elektro- und Elektronikaltgeräte hat jede*r Bonner*in 2020 über die Sammelinfrastruktur der bonnorange AöR zum Recycling gegeben. Dennoch liegt die Sammelquote von Elektro- und Elektronikaltgeräten in Deutschland nur bei 44,3 Prozent, dabei sind das eigentliche Ziel bei der Mindestsammelquote für alle EU-Mitgliedsstaaten 65 Prozent. Der Gesetzgeber steuert nun mit dem novellierten Elektrogesetz gegen, indem Verbraucher*innen ihre Altgeräte komplett kostenfrei an den Händler zurückgeben bzw. zurücksenden können, bei dem sie sich ein neues Elektrogroßgerät gekauft haben. Denn ausgediente und defekte Elektrogeräte enthalten wertvolle Ressourcen, die zurückgewonnen werden sollten.

Für eine nachhaltige Industriegesellschaft sind zwei Säulen von Bedeutung: die Energieversorgung durch regenerative Quellen, die zur Energiewende führt, und die Rohstoffversorgung auf Recyclingbasis. Daher müssen endliche Rohstoffe, wie High-Tech-Metalle und seltene Erden (critical raw materials, kurz CRM), wieder in den wirtschaftlich-strategischen Kreislauf zurückgeführt werden. Ein Lösungsansatz dafür ist das sogenannte Urban Mining. Das bedeutet natürlich nicht, dass bald Bergbau im Bonner Stadtgebiet stattfindet. Vielmehr muss für eine ökologische, soziale, fortschrittliche und damit nachhaltige Gesellschaft eine echte Kreislaufwirtschaft aufgebaut werden.

Ressourcenschutz im Fokus der Politik

Die steigende Relevanz von Ressourcenrecycling zeigt sich in den verschiedenen politischen Programmen. So taucht es als Zieldefinition (Sustainable Development Goal 12) in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen auf, zu der sich auch die Stadt Bonn am 7. Februar 2019 durch die Verabschiedung der Bonner Nachhaltigkeitsstrategie verpflichtet hat. Auch die Bundesregierung verfolgt seit 2012 mit den sogenannten Ressourceneffizienzprogrammen I bis III eine Nachhaltigkeitsstrategie zum Schutz natürlicher Ressourcen. Das langfristige Ziel ist es, die weltweite Inanspruchnahme von Rohstoffen dauerhaft zu reduzieren. Globale und nationale Maßnahmen werden gefördert und brauchen kommunale Partner für die Umsetzung.

Die zunehmende Ressourcenknappheit führt dazu, dass die eingesetzten Elemente möglichst komplett recycelt werden müssen. Das novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz legt unter Berücksichtigung einer neuen, outputbasierten Berechnungsmethode fest, dass die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling von Siedlungsabfällen mindestens 50 Gewichtsprozent bis 2020, 55 Prozent bis 2025, 60 Prozent bis 2030 und 65 Prozent bis 2035 betragen müssen. Zentrale Akteure für die Umsetzung sind hier die Kommunen.

Bei klassischen Metallen wie Eisen, Kupfer und Aluminium sind die Recyclingraten bereits gut, bei anderen seltenen Ressourcen wie Tantal, Indium, Neodym usw. gibt es noch großes Potenzial. Alleine ein Smartphone besteht aus 50 verschiedenen Metallen. Und die Zustände, unter denen an das Material gelangt wird, sind zum Teil menschenunwürdig. Dazu kommt, dass aufgrund der Ressourcenknappheit bitterliche Rohstoffkriege geführt werden. Hier spielt das Urban Mining eine wichtige Rolle, denn es verringert die Abhängigkeit von stetig steigenden Rohstoffpreisen und -importen sowie die Unterstützung der schlechten Abbaubedingungen. Gleichzeitig mindert der Recyclingprozess die entstehenden Umweltschäden des Bergbaus und dessen Wasser- und Energieverbrauch. Alleine mit dem Recycling von Elektrogeräten und Batterien lassen sich jährlich in Bonn 10.000 Tonnen Treibhausgasemissionen einsparen. Recycling von Seltenen Erden schützt also nicht nur die Umwelt, es steht für auch für den Schutz der Menschenwürde, vermeidet kriegerische Auseinandersetzungen und gewährleistet die Autonomie unserer Wirtschaft.

Potenzial der „städtischen Rohstoffe“

Städte sind wahre Ressourcenlager, in denen sich große Mengen wertvoller und recycelbarer Materialien befinden. So auch bei uns in Bonn. Die Nutzung und der Abbau von „städtischen Rohstoffen“ haben viele Vorteile, die sich für die Stadt nutzen lassen. Potenzial findet sich hier in kurzfristig verfügbaren Mengen getrennt erfasster Wertstoffe (wie beispielsweise Elektroaltgeräte) und in langfristig verfügbaren Mengen aus der Infrastruktur (wie innerhalb von Gebäuden, Schienennetze etc.). In der Stadt Bonn wären es 5.000 Tonnen pro Jahr an Elektrogeräten, Batterien und Metallen im Haus- und Sperrmüll plus 120.000 Tonnen Haustechnik in Wohn- und Nichtwohngebäuden, Schienen und öffentlichen Versorgungsleitungen. Direkt vor unserer Nase schlummern also große Potenziale für das Urban Mining, die gehoben werden sollten.

Daraus wird ersichtlich, dass Urban Mining mehr in den Recyclingkreislauf integriert werden muss, sowohl aus politischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht. Auf dieser Basis ist bereits 2018 die „Ressourcenstrategie Bundesstadt Bonn“ entstanden, die die Lager in Bonn sowie die darin befindlichen Mengen der Materialien aufzeigt. Ein wesentlicher Anteil entfällt auf den Gebäudebestand. Einen guten Ansatz bietet hier die Digitalisierung: Mithilfe des sogenannten „Building Information Modeling“ (BIM) lassen sich Gebäude als Rohstofflager verwalten. Mit einer Bauwerksdatenmodellierung könnten die Kosten der Unterhaltung von technischen Anlagen und Gebäuden verringert werden, notwendigen Untersuchungen bei Umbauten und Rückbau würden entfallen und die gezielte Entnahme von wertvollen Bestandteilen beim Rückbau ermöglicht.

Auf kommunaler Ebene muss die benötigte Sammelinfrastruktur zur Verfügung stehen, damit regionale Maßnahmen eine globale Wirkung entfalten. In Bonn funktioniert das zum Beispiel durch den gebührenfreien Abholservice von Elektrogroßgeräten durch bonnorange. Dabei kann die Beauftragung bequem per Online-Formular oder telefonisch beim Kundenservice erfolgen. Zusätzlich gibt es in Bonn die öffentlich zugänglichen Roten Tonnen für Elektrokleingeräte, deren Standorte online im Stadtplan verzeichnet sind. Die Rote Tonne bietet bonnorange als kostenlosen Service für Unternehmen an: sie werden zum Beispiel in Geschäften aufgestellt, um Kund*innen und Mitarbeiter*innen möglichst kurze Wege zur Entsorgung ihrer Elektrokleingeräte zu bieten.