Energie aus Biomasse: Die Vergärungsanlage der RSAG

Tonne auf, Müll rein – aus den Augen, aus dem Sinn? Beeindruckende 44,73 Kilogramm an organischen Abfällen in Form von Speiseresten, Eierschalen oder Kaffeesatz landeten zuletzt pro Einwohner*in in den Bonner Biotonnen. Die grüne Biotonne ist für pflanzliche Reste und behandelte Speisen aus der Küche sowie Putzreste von Obst und Gemüse und Abfälle in kleinen Mengen aus dem Garten (zum Beispiel verwelkte Blumen oder Unkraut) geeignet. Doch leider wird immer noch ein hoher Anteil kompostierbarer Abfälle über den Hausmüll entsorgt. Das müsste gar nicht sein, denn die Biotonne ist in Bonn sogar kostenlos. 

Das Beste für den Bioabfall ist die Kompostierung, denn die Verwertung dieser Abfälle spielt für den Ressourcen- und Klimaschutz eine bedeutende Rolle: Aus Bioabfall wird durch die Kompostierung ein wertvoller Bodenverbesserer, der alle für Pflanzen wichtigen Nährstoffe enthält. Böden können außerdem riesige Mengen an Kohlenstoff speichern und sind somit bedeutende Kohlenstoffsenken. Zudem können aufwendig gewonnener Torf oder teurer Kunstdünger durch die Kompostierung eingespart werden. Bioabfall kann zudem Energie liefern, indem er zum Beispiel in verschiedenen Prozessen zur Gewinnung von Biogas genutzt wird. Doch dazu später mehr.

In der Kreislaufwirtschaft spielt die Kompostierung von Bioabfällen also eine Schlüsselrolle, die weit über die bloße Entsorgung hinausgeht. Die Kompostierung schafft dadurch nicht nur hochwertigen Dünger, sondern ist auch darüber hinaus ein Lieferant für nachhaltige Energie. Um das Beste aus den Bonner Bioabfällen herauszuholen, führt einer der Wege auf das Gelände der Kompostierungs- & Vergärungsanlage der RSAG in Sankt Augustin. Um den Bioabfall nachhaltig zu nutzen, betreibt die RSAG hier seit Mitte 2023 die hochmoderne Biovergärungsanlage BIENE – die „innovative Bioabfallbehandlungsanlage mit Vergärungsstufe zur hocheffizienten und standortunabhängigen Energiegewinnung und -nutzung“. Hier wird zum einen Bioabfall zu frischem Kompost verarbeitet, zum anderen Biogas gewonnen – das nennt sich Kaskadennutzung.

Funktionsweise der Anlage

Zunächst werden die aus dem Rhein-Sieg-Kreis sowie aus den Bonner Haushalten gesammelten Bioabfälle mit unseren Abfallsammelfahrzeugen in der Anliefer- und Bunkerhalle der BIENE angeliefert und abgeladen. Rund 60.000 Tonnen Bioabfall und 18.000 Tonnen Grünabfall pro Jahr können in der Anlage umgesetzt werden. Der Bioabfall wird im ersten Schritt zerkleinert und gesiebt, außerdem mithilfe von Magnetabscheidern Metallteile wie Draht oder Kronkorken, die sich in die Biotonne verirrt haben, entfernt.

Nach der Siebung kommt das gröbere Material zur Kompostierung, das Feinere geht weiter in den Fermenter, wo das Material luftdicht verschlossen wird. Hier beginnt durch Aktivität von Bakterien und Mikroorganismen die anaerobe Vergärung (ohne Zusatz von Sauerstoff) und unter Feuchtigkeit und Wärme kommt die Feststoff-Fermentation in Gang – das ist im Prinzip der Vorgang, der auch in dem Magen einer Kuh abläuft.

An dieser Stelle trennt sich durch die Vergärung der Bioabfall und es entstehen Biogas und Gärrest. Der Gärrest wird ausgepresst und auf diese Weise entwässert. Diese sehr matschige, vorfermentierte Masse kann nun für die weitere Kompostierung mit dem gröberen Material vermengt und in sogenannten Rottetunneln über drei Wochen kompostiert werden. Anders als die anaeroben Prozesse im Fermenter benötigt die Kompostierung einen aeroben Prozess. Das bedeutet, dass Sauerstoff aus der Luft dafür benötigt wird. Deshalb wird das Material gleichmäßig in den Rotteboxen verteilt und regelmäßig bewegt, um die Luftzufuhr zu verbessern. Außerdem gibt es die Möglichkeit, zusätzlich zu bewässern oder Luft zuzuführen, damit immer genau das richtige Klima herrscht und die Aktivität der Mikroorganismen gesteuert werden kann. Anschließend wird das Material weiter aufgearbeitet.

Plastik bleibt ein großes Problem

Bei der Aufarbeitung werden unter anderem Störstoffe entfernt. Um hochwertigen Kompost aus den Bioabfällen herstellen zu können, ist es nämlich wichtig, dass das dafür verwendeten Biogut sauber durch die Verbraucher*innen getrennt wird und keine Fremdstoffe darin enthalten sind.

Plastik ist der größte Feind für qualitativen Kompost. Ein großes Problem sind Plastiktüten, die immer wieder fälschlicherweise in der Biotonne entsorgt werden. Obwohl sogenannte biologisch abbaubare Plastiktüten oder auch Beutel aus biobasierten Kunststoffen als umweltfreundliche Alternative angepriesen werden, haben sie im Bioabfall nichts zu suchen, denn sie sind Störstoffe in den Kompostieranlagen und können dort nicht recycelt werden. Sie werden größtenteils bereits in der Abfallaufbereitung gemeinsam mit anderen Störstoffen aussortiert und als Restmüll entsorgt, was für die Anlagenbetreiber mit großem Aufwand verbunden ist. Kunststoffe, die hier nicht aussortiert werden können, verbleiben als Mikroplastik im Kompost. Wird dieser dann als Dünger in der Landwirtschaft genutzt, landet das Mikroplastik wieder in der Lebensmittelproduktion.

Als Alternative zur Plastiktüte bietet bonnorange zusammen mit der RSAG AöR eine kompostierbare Biotüte aus 100 Prozent Altpapier über den Handel zum Kauf an. Die Tüten bestehen aus nassfestem Papier mit doppeltem Boden und zwei flachen Henkeln, die durch ein Deckblatt verstärkt werden. So wird auch der Transport des Bioabfalls zum Beispiel aus Etagenwohnungen zur Grünen Tonne erleichtert. Die Biotüte kann vollständig in den Anlagen der RSAG AöR kompostiert werden.

Bei der ersten Sortierung des späteren Kompostes wird bereits ein Teil des Plastiks herausgeholt. Einfacher ist es aber, das Material nachzusortieren, wenn sich das Volumen durch den Verlust von Wasser etwas verringert hat und der Biomüll vor allem nicht mehr so klebrig ist. Für diese Feinaufarbeitung werden verschiedene Siebe wie Trommelsieb (vergleichbar mit einer Waschmaschinentrommel) und Sternsieb eingesetzt, außerdem gibt es einen Windsichter zur Folienabscheidung und einen Nahinfrarot-Sortierer, bei dem das Material mit Infrarotlicht bestrahlt wird.

Bioabfall sorgt für Energie

Zurück zum Biogas. Das bei der Gärung entstehende Gas wird abgeführt und in den runden Biogasspeicher direkt neben dem Fermenter geleitet. Direkt verwendet werden kann das Gas jedoch nicht, sondern muss über eine weitere Aufbereitung erst Erdgasqualität bekommen. Das Biogas aus dem Fermenter wird deshalb mithilfe von Aminwäsche von unerwünschten Stoffen, wie Schwefel oder Kohlenstoffdioxid gereinigt und somit der Methananteil erhöht, sodass eine Einspeisung in das öffentliche Erdgasnetz möglich ist. Alles in allem verspricht sich die RSAG auf diese Weise einen Umsatz von 2,3 Mio. m³ Biomethan pro Jahr – genug zum Beheizen von 1.265 Haushalten.

Zusätzlich zur Biogasgewinnung werden über einen sogenannten Biomassedampfkessel Hackschnitzel aus eigener Produktion (grobe Holzreste aus den Siebvorgängen sowie geschredderte Äste oder auch Tannenbäume) thermisch verwertet. Die daraus entstehende Wärme wird wiederum für die Vergärung, Kompostierung und Biogasbehandlung in der Anlage genutzt. Was übrig bleibt, wird anschließend in das Wärmenetz vor Ort eingespeist. 

Die Hallen der Anlage sowie die Kompostierungstunnel werden kontinuierlich entlüftet. Diese Abluft wird gesammelt und einer Abluftbehandlung zugeführt, um Staub- und Geruchsbelästigung auf dem Anlagengelände und in unmittelbarer Umgebung der Tunnel zu reduzieren. Die Abluftbehandlung funktioniert unter anderem über einen Biofilter; hier wird die Luft mit Hilfe von Mikroorganismen in einem Filtermaterial aus Wurzelholz gereinigt. Also im Prinzip das, was bonnorange im Kleinen mit dem Biofilterdeckel im Pilotprojekt für die Biotonnen macht: Mikroorganismen wandeln mit Hilfe von Enzymen die aufsteigenden Fäulnisgase und Schadstoffe aus der Biotonne in Kohlendioxid und Wasser um, die dann geruchsneutral an die Umwelt abgegeben werden. Auf dem Gelände der RSAG wird die gesammelte, gereinigte Abluft über einen Kamin gezielt abgeleitet.